Schweigsam treibt mein morscher Einbaum,

Klar und ruhig wogt der See,

purpurarme Abendschatten

färben der Gebirge Schnee.

 

Eines Eilands Klosterhallen

tauchen dämmerhaft empor¹.

Münsterglocken hör ich schallen

und der Schwestern frommen Chor:

 

Sempiterni fons amoris,

consolatrix tristum,

pia mater salvatoris,

ave², virgo virginum!

 

Summend, singend, rein verklingend,

süß ersterbend kommt der Ton,

Luft und Welle führen schwingend

seinen letzten Hauch davon.

 

Und die Rechte senkt das Ruder,

im Gebet erschweigt das Herz,

und mir ist, als trügen Engel

eine Seele himmelwärts.

 

Nacht ist wie ein stilles Meer,

Lust und Leid und Liebesklagen

kommen so verworren her

in dem linden Wellenschlagen.

 

Wünsche wie die Wolken sind,

schiffen durch die leeren¹ Räume,

wer erkennt im lauen Wind,

ob's Gedanken oder Träume?

 

Schließ ich nun auch Herz und Mond,

die so gern den Sternen klagen:

Leise doch im Herzensgrund

bleibt das linde Wellenschlagen.

 

Wie heißt König Ringans¹ Töchterlein?

Rohtraut, Schön-Rohtraut!

Was tut sie den ganzen Tag,

da sie nicht spinnen und nähen mag?

Tut fischen und jagen.

O, dass ich doch ihr Jäger wär!

Fischen und jagen, das freute mich sehr!

- Schweig stille, mein Herze!

 

Und über eine kleine Weil.

Rohtraut, Schön-Rohtraut!

so dient der Knab auf Ringans Schloss 

in² Jägertracht und hat ein Ross

mit Rohtraut zu jagen.

o, dass ich doch ein Königssohn wär!

Rohtraut, Schön-Rothtraut lieb ich so sehr.

- Schweig stille, mein Herze!

 

Einsmals sie ruhten am Eichenbaum

da lacht Schön-Rohtraut:

Was siehst mich an so wunniglich?

Wenn du das Herz hast, küsse mich!

Ach, erschrak der Knabe!

Doch denkt³ er: Mir ist's vergunnt, 

und Küsset Schön-Rothtraut auf den Mund.

- Schweig stille, mein Herze!

 

Darauf sie ritten schweigend heim,

Rothtraut, Schön-Rothtraut!

Es jauchzt der Knab in seinem Sinn:

Und würd'st du heute Kaiserin,

mich soll's⁴ nicht kränken:

Ihr tausend Blätter im Walde wisst,

ich hab Schön-Rothtrauts Mund geküsst.

- Schweig stille, mein Herze!

 

Herbst ist es nun, nimmer die Stürme des Meeres ruhn.

Ach, ach!¹ vom Hause wie gerne säß ich noch ferne!

 

Bläuliches Meer - eilend ja geht es,o schwelle nicht mehr,

zeiget, ihr Sterne, dem Segler² Wege der Ferne,

 

Kommt nun der Mai, kehrt er, nicht kommt die Geliebte herbei,

nicht ihm entgegen im Saale, nicht auch im Tale.

 

Liegt nun im Staub³, kalt und erblichen, der Liebe Raub;

oder sie blutet darnieder, ein Opfer⁴ der Brüder.

 

Falke, der blieb, nun bist du mein!

O wie hab ich dich lieb!

Fliegender Jäger!

Dich hegen will ich und pflegen!

 

Liehest du mir auch jetzt deine Schwingen⁵, was hülfen sie mir?

Kann doch der Tod mir nur bringen himmlische Schwingen!

 

Bin ich nun tot, kehrt⁶ er sicher;

vernimm mein Gebet:

Grüße mir Frithjof!

Nicht wehren wird er den Zähren.